Ab sofort und in loser Folge veröffentliche ich hier Antworten, die mir Multitalent Wolfgang Joop (Wunderkind) in einem Interview zur Premiere seines neuen Herrenduftes „Freigeist“ auf verschiedenste Fragen gab.
Herr Joop, wäre eine Designlinie für die Massen à la Comme des Garçons für H&M ein reizvolles Projekt für Sie? Ihre Kollegin Jil Sander, eine Freundin aus gemeinsamen Hamburger Tagen …
Sie war meine Freundin, ja. Wir haben zusammen angefangen und uns damals sehr viel ausgetauscht.
Fänden Sie denn eine Kollektion wie Jil Sander sie für das japanische Label Uniqlo entwirft spannend? Als modisches Demokratisierungs-Projekt?
Demokratisierung würde ich solche Kooperationen nicht zwangsläufig nennen, denn für mich ist die Frage, wo etwas herkommt mittlerweile viel wichtiger. Unter welchen Bedingungen entsteht etwas, wie moralisch ist das Endprodukt? Diesem Thema muss man sich leider heute auch stellen! Und persönlich muss ich Ihnen sagen, finde ich Fast Fashion nicht so wahnsinnig sinnvoll. Ich bin mehr für slow, für Nachdenken und Nachhaltigkeit, so wie ich es auch bei meinem Label Wunderkind praktiziere.
Es ist schließlich eine ziemliche intime Angelegenheit, einem anderen Menschen Kleidung, quasi eine Haut überzuwerfen. Das sollte mit äußerster Konzentration und langsam entworfen werden. Gerade eine Jil Sander, die ja damals wie keine andere für Langlebigkeit und Nachhaltigkeit stand, für Luxusprodukte, die auch Patina haben dürfen, die man ewig behält, und die sich persönlich geradezu ekelte, wenn sich ein Gewebe nicht gut anfasste …
Aber gerade für Marken wie Comme des Garçons, wie Sonia Rykiel oder Matthew Williamson, die sonst unter dem Radar der Konsumenten agieren, eher Insider-Label sind, hat die Kollektion für die schwedische Kette doch einen image boost bedeutet. Ihnen geht Nachhaltigkeit vor Markenbekanntheit?
Die Grundidee ist sehr schön, etwas zu machen, das sich jeder leisten kann. Die Wahrheit aber ist, dass Luxus niemals für jeden da war. Darüberhinaus würde es mich sehr wohl reizen mit einer großen Organisation Dinge zu tun, die man großartig an die breite Masse verteilen kann.
Was müsste das sein, haben Sie da bereits etwas ausgeheckt?
Nein. Aber ich habe Pullover bei einer Textilkette gekauft, 30 Euro das Stück und wirklich fabelhaft gemacht – nur weiß ich, wo die gemacht werden. In einem winzigen türkischen Dorf, das quasi blockiert und erpresst wird. Da stricken die Mädchen und auch noch die Omis und kriegen vielleicht drei Euro pro Stücke. Die zahlen die Rechnung dafür, dass die Filialen der Marke dafür in den besten Lagen eröffnen und wir günstige Pullis kaufen können. Das ist ein Preis, der hat mit dem, was Sie an der Kasse zu zahlen haben, nichts zu tun.
In gewisser Weise finde ich das Verkleidungsspiel, sich ständig was Neues zu kaufen und Altes wegzuwerfen trotzdem in Ordnung, aber that’s not MY business! Ich mache lieber andere Dinge, wie zuletzt modische Kompressionsstrümpfe mit der Firma Medi, richtige High-Tech-Kleidung. Ich trage sie ständig, werde auch keine anderen mehr anziehen, weil sie mich harte Tage überstehen lassen und ich mit ihnen an den Füßen durch ganz Barcelona gelaufen bin. Diesen Industriebereich finde ich spannend, würde auch gern ein Auto entwerfen, eine Kaffeemaschine …
Produkte, die uns gut durch den Alltag begleiten, wie auch ein Parfüm, darum geht es doch heute. Ich hasse es, zu sehen, was sich alles in meinem Kleiderschrank aufgestaut hat, und warte ehrlich gesagt auf den Tag, der mir so viel Freiheit gibt, das alles wegzuwerfen. Um nur noch das zu haben, was ich wirklich anziehe, wie diese Jeans, die seit 20 Jahren bei mir bleibt. Und das darf nur Weniges. Und in nächster Zeit begleiten darf mich noch viel weniger!
In Teil 2 des Gespräches: Höchste Zeit für Freigeister?
Foto(s): PR
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