Interview: Christina Arend von Arrondissement Aq1

Christina Arend

Christina Arend, Ihr Show-Debüt gaben Sie bei der Mercedes-Benz Fashion Week 2009 in Berlin und blieben auch die darauf folgenden zwei Modewochen mit Arrondissement Aq1 auf dem Schauen-Kalender. Im Juli dann der New Faces Award der Zeitschrift „Bunte“ –  was haben Sie besser oder richtiger gemacht als andere junge Designer?
Keine Ahnung, was jetzt besser oder richtiger war. Bis jetzt bin ich immer meiner eigenen Intuition gefolgt, habe einfach gemacht! Trotz allem „Auf-das-Bauchgefühl-Hören“,  arbeite ich sehr organisiert und bis ins Detail. So war bisher mein persönlicher Weg – und der ist eh bei jedem anders.
Alle Welt verherrlicht Begriffe wie Teamwork und team player, doch viele der größten technischen Errungenschaften und Kunstwerke, sind von Allein,tätern‘ geschaffen worden. Wie viel Einsamkeit braucht Kreativität?
Das ist eine gute Frage. Teamwork ist wichtig, und aus einer Grundidee kann mit der Unterstützung, Kompetenz und Kritik eines guten Teams und dem richtigen Feeling ganz viel entstehen. Und doch sind kreative Menschen oft in vielerlei Hinsicht extremer als andere, können nur so die entsprechende gestalterische Leistung bringen. Man wechselt ständig von einer kreativen Phase in die nächste, folgt einer Vision, die nur man selbst ganz klar vor Augen hat und einem Gegenüber oft nur schwer erklären kann. Gleichzeitig ist die daraus resultierende Einsamkeit auch nicht jedermanns Sache, und man muss bei aller – harten – Arbeit seine eigenen Kraftreserven gut kennen und Prioritäten setzen. In meinem Umfeld habe ich Gott sei Dank Menschen, die mich und was ich künstlerisch ausdrücken will, extrem gut verstehen. Das finde ich keineswegs selbstverständlich und freue mich umso mehr darüber, dass es so ist.
In einem Interview haben Sie mal gesagt, dass Flughäfen Sie inspirieren würden. Haben Sie Lieblings-Schalterhallen oder -Business-Class-Lounges? Wo kommen Ihnen die besten Ideen: MUC oder JFK?
Also die allerbesten Ideen kommen mir genau zwischen MUC und JFK, die Business Class Lounges kenne ich dagegen leider nur vom Hörensagen. Mal im Ernst: eigentlich ist egal welche Schalterhalle es ist und wo ich mich gerade befinde, am Flughafen oder in einem Flugzeuge zu sein, das fühlt sich immer anders an. Neue Menschen, Nationalitäten, Stimmungen. Ich war schon immer von Fernweh getrieben, diese Atmosphäre von Aufbruch, von „Weit-weg-Sein“ stimuliert mich emotional und fördert meinen Kreativität ungemein.

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Sie haben Arrondissement Aq1 direkt in den Boom der Modeblogs, wie Les Mads & Co. hinein gegründet. Haben Online-Medien ihre Karriere beflügelt?
Also mir wurde tatsächlich erst mit der Gründung von Aq1 bewusst, wie weit verbreitet Online-Medien und Blogs mittlerweile sind. Das ist eine Welt für sich, mit ihren ganz eigenen Regeln. Und wie viele Menschen das erreicht! Das ist aber alles, glaube ich, nur ein Vorgeschmack auf die künftige Medienwelt. Alleine die Geschwindigkeit, in der sich Neuigkeiten verbreiten können, beeinflusst immens. Sozusagen: vom Runway direkt  ins Wohnzimmer. Als Designer kann man durch Blogs plötzlich direkt mit Modeliebhabern und Konsumenten ,sprechen‘ – und diese wierderum mit ihren liebsten Labels kommunizieren. Diesen Austausch gibt’s nirgendwo sonst.

Wie unterscheiden sich – aus Ihrer Erfahrung – Online- von Print-Magazinen?
Online-Medien sind schnell, Printmedien können nachhaltiger sein – und mir wäre es am liebsten, beide könnten weiterhin co-existieren. Sie ergänzen sich nämlich eigentlich wunderbar. Momentan aber herrscht eine solche Schwemme an Online-Seiten, dass ich für eine Qualitätsoffensive plädieren würde. Ich selbst bin immer noch sehr printorientiert, ich fühle und rieche gern beim Lesen. Das ist online ja (noch) nicht möglich.
Was für Blogs würden Sie sich denn wünschen?
Ich würde mir Blogs wünschen, deren  Macher Spaß daran haben, in die Tiefe einer Materie einzusteigen, die sich intensiv mit einer Thematik befassen. Wenn sie sich nebenbei selbst inszenieren, finde ich das völlig OK, oft macht genau das den eigenen Stil eines Blogs aus. Nur der ‚Stoff‘ darf nicht darunter leiden. Eine visuell ansprechende Seite, auf der die Initiatoren mehr ,abdrucken‘ als Pressetexte von Marken – das finde ich das Mindeste. Was mich auch stört, ist, dass mancher Blogger sich als letzte Instanz fühlen. Sicher, es gibt die Ansicht, dass Blogs  das wohl letzte Mittel der freien Meinungsäußerung sind. Allerdings lassen sich mittlerweile viele Blogger kaufen, was die Authentizität natürlich zerstört, und wieder einmal beweist, was mit einem Trend passiert, wenn er aus dem Untergrund im Mainstream ankommt: er wird korrumpiert.
Wie schwer war es für Sie als Süddeutsche sich in Berlin einen festen Platz in der Mode-Szene und unter den Kollegen zu erkämpfen?
Es ist schön einmal so eine Frage gestellt zu bekommen. Ich persönlich halte nicht viel von diesem „Berlin oder nicht Berlin“-Sein. Trotzdem gilt international längst die Gleichung „German brand = Berlin brand“. Also finde ich es gut, zeigen zu können, dass man nicht aus Berlin stammen muss, um sich modisch Gehör zu verschaffen.
Der Durchbruch: Können Sie sich an den einen Moment erinnern, in dem Sie spürten es geschafft zu haben?
Die Frage ist doch eher: was genau heißt Durchbruch? Die erste Modenschau? Ein gewonnener Preis? Oder eher harte wirtschaftliche Erfolgs-Fakten? Einen einzigen Moment erinnere ich nicht – das alles ist sehr überwältigend. Die erste Show im Januar 2009 war sicherlich der bisher größte, aufwühlendste Tag für mich. Nie hätte ich damit gerechnet, so früh in meiner Karriere eine Laufsteg-Show zu machen. Und dann ging alles so unglaublich schnell, kaum zu begreifen …
Verraten Sie uns Ihr Geheimrezept gegen Motivations-Tiefs?
Ich habe noch keins gefunden … Ich versuche einfach, meiner inneren Stimme zuzuhören und mich zu erinnern, dass ich trotz Mode-Wahnsinn ein Mensch mit Grenzen bin.
Ihre Mode in drei Worten!
Chic, casual, easy
Waren Sie sich Ihrer Design-Handschrift immer sicher? Oder gab es Zweifel und Kurskorrekturen?
Wenn man sich immer sicher ist, wird man sich kaum verbessern können. Man entwickelt sich und so entwickelt sich dann auch die eigene Arbeit. Mein Stil hat sich im Vergleich zu früher massiv gewandelt, bei Aq1 gab es aber keinen wirklichen ,Kurswechsel‘. Vor allem eines hat sich nie geändert: dass ich einige Aspekte meiner Mode durchaus ironisch meine.
Wissen Sie aus dem Kopf wie viele Facebook-Fans Arrondissement Aq1 hat?
Nein.
Wo trifft man die Münchnerin Christina Arend Samstagnacht am ehesten an? Bitte begründen!
a) An der Bar des P1?
b) Im Parkett der Münchner Kammerspiele?
c) Ganz vor an der Bühne beim Linkin-Park-Konzert?
In keinem der drei Szenarien! Ich bin kein Club-Typ, das ist mir alles zu anonym, und überhaupt verbringen ich gerade Sommertage lieber draußen in der Natur. Ich genieße alles was einfach und echt ist.
Sind Sie ein Workaholic?
Ja, und das muss ich dringend ändern!
Christina Arend – vielen Dank für das Gespräch. Interview: Matthias Hinz

Die Münchnerin Christina Arend, geboren 1984, hat sich kreativ schon reichlich austoben können in ihrer noch jungen Laufbahn. Sie studierte Modedesign, arbeitete bei Kaviar Gauche in Berlin, Jasmine Di Milo in London und bei Fendi in New York, widmete sich Illustrations-Projekten und dachte eigentlich die ganze Zeit nur an eines: ihr eigenes Label „made in Germany“. Arrondissement Aq1 steht übrigens für den lateinischen Code für Adler, ein Spiel mit der niederländischen Bedeutung ihres Nachnamens Arend. Ganz schön kompliziert für eine Mode, die eigentlich keine große Erklärung braucht.


Veröffentlicht von

Siems Luckwaldt

Siems Luckwaldt ist seit über 20 Jahren als Journalist und Redakteur tätig. Seine Themen: Interviews, Mode, Lifestyle, Uhren, Modernes Leben. Weitere Angebote: Corporate Publishing, Social Media Storytelling, Podcasts, Coaching